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Jerica Ziherl
Zusammengefasste Chronologie des Novigrader Lapidariums |
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In der repräsentativen Ausstellung "Kroaten und Karolinger", die nach Split (2000) zum Teil auch in Brescia gezeigt wurde (2001), nahmen die Denkmäler aus dem Novigrader Lapidarium eine hervorragende Stellung ein, und die begleitenden Texte brachten neue Erkenntnisse über die Entstehung der Stadt. In der älteren Geschichtsschreibung wurde der Ursprung der Stadt und ihre mutmaßliche, sehr früh angesetzte Entstehungszeit häufig diskutiert. Die Diskussionen über den Standort von Emonia, Emonija, Aemonia, in denen ausschließlich versucht wurde, die Entstehung Novigrads in der Antike anzusiedeln, fanden bis Heute keine Anhaltspunkte in den materiellen Beweisen aus der unmittelbaren ländlichen Umgebung der Stadt. Konkrete materielle Beweise, die auf den Ursprung oder den "politisch-wirtschaftlichen" Status einer Stadt hinweisen, sind die erhaltenen Steinfragmente aus dem frühen Mittelalter und die Ergebnisse der neuesten Untersuchungen der Novigrader Krypta. Die immer mehr zur Geltung kommende These, dass die Entstehung der Stadt (des Novigrader Bistums) mit der Erbauung der Krypta als Teil des ursprünglichen architektonischen Konzepts der heutigen Pfarrkirche des heiligen Pelagius verbunden ist, überwindet kühn die jahrhundertealten Annahmen von ihrem antiken Ursprung. Was die Mehrheit der mit der Geschichte von Novigrad befassten zeitgenössischen Autoren betonen möchte, ist zweifellos die Existenz Novigrads als eines spätantiken Castrums oder Castellums, d. h. einer zivilen wehrhaften Siedlung, an deren Stelle sich Novigrad allmählich zur Stadt entwickelte. Dafür spricht auch die längst bekannte Tatsache, dass Novigrad das Zentrum der frühen fränkischen Herrschaft und Sitz des Herzogs Johannes (Dux Iohannes) war. Daher sind die Steinfragmente des Lapidariums, vor allem ihr frühromanischer Teil, von großer Bedeutung sowohl für das kroatische als auch das europäische Kulturerbe.
Obwohl das Novigrader Lapidarium den Experten seit langem bekannt ist und Gegenstand wissenschaftlicher Forschung war, blieb es lange Zeit in unangemessenen Verhältnissen (un)ausgestellt. "Unangemessen" bedeutet in diesem Fall einfach nicht angemessen und ist nicht abwertend gemeint. Es handelt sich darum, dass jede Epoche ihr eigenes Verhältnis zu dem hatte, was man heute unter der Musealisierung der Kulturgüter versteht. Gerade deshalb führt uns die Geschichte vom Novigrader Lapidarium fast ein Jahrhundert zurück. Das besagt, dass diesen wertvollen Denkmälern damals wie heute Rechnung getragen wurde. Über sie schrieben Giacomo Filippo Tommasini (1595-1655, Bischof von Novigrad 1641-1655), Pietro Kandler (1804-1872) und Giuseppe Caprin (1843-1904). Bei diesen Autoren ist zwar nicht von einer Sammlung die Rede, sondern von einzelnen Steinfragmenten, die nicht mehr Bestandteil des Sakralkomplexes waren, aber dennoch kunsthistorischen Wert besaßen. Konkretere Angaben zur Sammlung sind in den Berichten der istrischen Gesellschaft für Archäologie und Heimatgeschichte aus Poreè enthalten, unter deren Mitgliedern auch die Novigrader Giuseppe Parentin und Giovanni Urizo waren. So werden im Bericht von 1895 Untersuchungen in der Novigrader Krypta erwähnt, die damals durchgeführt wurden, um ihren angenommenen frühchristlichen Ursprung nachzuweisen. Doch statt der Bodenmosaiken, nach denen gesucht wurde, fand man 23 Steinfragmente, größtenteils Teile von Pluteen, deren Rückseiten in früheren Perioden als Bodenbelag dienten. Da die Vorderseiten mit Reliefs geschmückt waren, wurde beschlossen, die Fragmente an der südlichen Seitenwand der Pelagius-Kirche "auszustellen" (dort standen bereits einige andere Steindenkmäler). Der nächste relevante Eintrag bezieht sich auf die Errichtung eines neuen, angemessenen Gebäudes für die Steinfragmente. Im Jahr 1897 formierte die Novigrader Gemeinde das Lapidarium und brachte es in der Loggia unter, die nordwestlich von der Pelagius-Kirche am Hauptplatz stand. Damit wurde es zum Bestandteil des Öffentlichen Parks. Die Schaffung des Lapidariums beaufsichtigten Andrea Amoroso und Antonio Pogatschnig, und die Kosten von 1052,44 Kronen bestritten zu gleichen Teilen die Novigrader Kommune, die Istrische Gesellschaft für Archäologie und Heimatgeschichte und die k. u. k. Monarchie. Das Lapidarium überlebte zwei Weltkriege, doch dem kleinen Freilicthmuseum setzte allmählich der Zahn der Zeit und der Mangel an Pflege zu. Branko Fuèiæ, einer der ersten kroatischen Konservatoren, der nach dem II. Weltkrieg Istrien bereiste, schrieb in seinem Bericht von 1947, er habe die Sammlung in einem baufälligen Gebäude (der Loggia) vorgefunden: "[...] unangebracht ausgestellt und unzulänglich geschützt, [..] der Witterung ausgesetzt, [..] geschmacklos zubetoniert, [..] der weiche Stein von Feuchtigkeit und Salz angegriffen [...]". Nach einer langjährigen Pause wurde beschlossen, die Sammlung an einem angemesseneren Ort unterzubringen und die alte Loggia abzureißen. Zwischen 1962 und 1964 versetzten die Fachleute des Archäologischen Museums in Pula die Sammlung in das Erdgeschoss des barocken Rigo-Palais in unmittelbarer nähe des Novigrader Hauptplatzes, um sie dort zu dokumentieren und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dadurch wurde das Lapidarium zum Bestandteil der mittelalterlichen Sammlung des Museums in Pula, das die Ausstellungsstücke betreute. Doch es zeigte sich erneut, dass auch dieser Standort der Sammlung nicht ganz angemessen war. Der langjährige Einfluss der Witterung verursachte ein Blättern und Absprengen des Steins, in der Konsrvatorensprache "Steinpest" genannt, und die Verwendung unbehandelter Eisenträger "bedrohte die Gesundheit des Steins und führte zu rostbedingter Rissbildung; dieselben Einbauten verunreinigten den Stein durch Zement, Mörtel und Farbanstrich". Wegen des alarmierenden Zustands der Sammlung, aber auch wegen der feuchten und vernachlässigten Räumlichkeiten, in denen sie sich befand, wurden 1992-93 Beratungen über ihre Restaurierung in Gang gesetzt. Im Jahr 1994 begann die langjährige Sanierung des Lapidariums, durchgeführt vom Denkmalschutzausschuss der Novigrader Gemeinde, dem Archäologischen Museum in Pula und dem damaligen Regionalen Denkmalschutzamt in Rijeka. Das Lapidarium wurde erneut auseinandergelegt und vorübergehend im Keller der Novigrader Grundschule deponiert. Danach nahmen die Mitarbeiter des Archäologischen Museums die notwendige Reinigung der Stücke vor und entfernten die daran angebrachten Eisenhalterungen. Im Jahr 1995 wurde das Elaborat zur Sanierung des Lapidariums fertiggestellt, und man ging zur Entsalzung über. Im Keller der Grundschule wurden drei große Becken gebaut, in die etwa 60% aller Exponate getaucht wurden, wobei das Wasser ständiger Qualitätskontrolle unterlag. Im Jahr 1996, unter der Aufsicht des Konservators Ivo Donelli sowie der Archäologen und Präparatoren aus Pula, wurden die Becken mit frischem Wasser gefüllt und darein die übrigen Ausstellungsstücke getaucht. Die Entsalzung wurde 1997 erfolgreich abgeschlossen und 1998 die Festigung der Steinstruktur durch Anwendung von chemischen Präparaten durchgeführt (die 10 bis 20 Tage pro Stück in Anspruch nahm). Die entsprechenden Fragmente wurden zusammengefügt oder rekonstruiert und die Dokumentation und Bibliographie zur gesamten Sammlung auf den neuesten Stand gebracht.
Gleichzeitig mit den Sanierungsarbeiten an den Steindenkmälern wurde das Projekt der Gründung und Erbauung eines neuen Museums für die Sammlung gestartet. Da Novigrad über kein historisches Ambiente zur Ausstellung des Lapidariums verfügte, beschloss man, dass das zukünftige Museum innerhalb des Stadtkerns gebaut werden müsse, so nahe an der Pfarrkirche, der ehemaligen Kathedrale, aus der die meisten Stücke stammen, wie nur möglich. Die Wahl fiel auf ein Grundstück neben dem Hauptplatz und der Pfarrkirche, eine leere, ungepflegte Fläche, die im Hinblick auf ihre Lage inadäquat genutzt wurde (Schuppen der Anrainer, Parkplatz, Müllcontainer usw.). Der Gemeinderat verabschiedete 1997 den Zeitplan für die vorgesehenen Maßnahmen und bildete eine Arbeitsgruppe, die mit der Durchführung des Projekts betraut wurde. Im Jahr 1999 wurde die Raumplanungsverordnung für den historischen Stadtkern entsprechend geändert und 2000 das museologische Elaborat fertiggestellt. Auf Grund des Durchführungsplans zur teilweisen Instandsetzung des historischen Stadtkerns aus dem Jahr 2001 wurde das zukünftige Baugelände bestimmt. Es sollte ein Gebäude mit rechteckigem Grundriss, eine Zugangsrampe und einen Teil des öffentlichen Parks umfassen, mit einer Gesamtfläche von 780 m2. Auf Grund der festgelegten Stadtplanungsbedingungen wurde ein Wettbewerb unter geladenen Architekturbüros (Eligio Legoviæ, Njiriæ+Njiriæ, Glivarec-Tajder und Randiæ-Turato) ausgeschrieben. Die Teilnahmebedingungen sahen ein frisches, innovatives und technologisch ausgereiftes Konzept vor, das eine moderne Antwort auf die Anforderungen des Programms und des urbanen Kontextes darstellen würde. Nach der Bewertung der vorgelegten Entwürfe wurde das Projekt "Zwei schwarze Kästen und ein Park" des Architekturbüros Randiæ-Turato aus Rijeka ausgewählt. Diese Wahl wurde dadurch begründet, dass der Aufbau des zukünftigen Museums mit seiner gebündelten und herben Formgebung - ein einfacher tektonischer Rahmen, in dem "zwei schwarze Kästen" zur Ausstellung der Sammlung dominieren - das reziproke Verhältnis zwischen der Umgebung und der physischen Anwesenheit des Museums mit den darin aufbewahrten Artefakten wiedergebe. Das Projekt sei weder ein neutraler "weißer Kubus" noch ein spektakuläres skulpturales Manifest. Die Form der fühlbaren Spannung zwischen konstruktiver Notwendigkeit, geistigem Wert und erlebnismäßiger Artikulation sei dadurch erfüllt worden. Zum Schluss wurde festgestellt, dass das ausgewählte Konzept eine erfolgreiche Einfügung moderner Architektur in den historischen Stadtkern und einen würdigen Rahmen für die wertvollen Ausstellungsstücke darstelle. Im Jahr 2003 wurde die erforderliche Dokumentation zusammengestellt und im darauf folgenden Jahr begannen nach der archäologischen Sondierung des Geländes die Bauarbeiten. Im Jahr 2006 wurde das neue museologische Elaborat umgesetzt und die Sammlung in dem neu gegründeten Lapidarium-Museum ausgestellt.
Damit kommt unsere Geschichte über die wertvollen Denkmäler von Novigrad zu ihrem Ende. Wie einleitend bemerkt, hat eine jede Epoche ihre eigenen Vorstellungen von der Musealisierung der Kulturgüter. In der unsrigen soll das Museum wie ein Energiebehälter wirken, der die Fähigkeit hat, auch neue Zusammenhänge, Konzepte und Konstrukte in die Schaffung eines Ortes, wo "eine glaubwürdige Geschichte erzählt wird", mit einzubeziehen. Daher ist das Novigrader Museum einerseits kompakt und andererseits polyvalent; es ist eine moderne urbane Hybride, deren Zweck nicht die traditionelle Präsentierung einer Ausstellung, sondern die Präsentierung einer Identität ist. Die Präsentierung menschlicher Konstrukte, und nicht der menschlichen Destruktion, könnte man hinzufügen.
Es ist mit gutem Grund anzunehmen, dass das Museum in seine Umgebung in jedem Sinne wohltuend einwachsen, sie mit lebendigen Inhalten revitalisieren und zum häufig besuchten Ort für die Einwohner Novigrads und ihre Gäste werden wird. Vor allem aber wird das Lapidarium von dem reichen kulturgeschichtlichen Erbe zeugen, das nicht nur dem autochthonen Raum gehört: Durch die Verflechtung der gegenseitigen Beziehungen und Einflüsse wird es zum Bestandteil europäischer kultureller Ereignisse. Es wird schließlich auch von der Identität Novigrads zeugen, das, seiner Vergangenheit bewusst, ihre Werte und ihre Bedeutung für die kommenden Generationen zu erhalten sucht. |
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